Sydney

 

Der überzeugte Tasmanier spricht eher etwas abfällig von der „kleinen, unbedeutenden Insel im Norden“. Kein Wunder, behandeln die Mainlander die „Apple Isle“ im Süden ja auch gerne etwas stiefmütterlich. Bei aller Rivalität findet aber ein reger Reiseverkehr statt. Sei es um dem Großstadtstress zu entfliehen, die tasmanische Natur zu genießen, oder mal 100% reine Luft zu atmen. Flieger nach Hobart und Fähren nach Devonport sind immer gut gefüllt. Im Gegenzug steigen die Temperaturen im australischen Winter mit jeder Flugstunde gen Norden spürbar, die Begriffe Shopping-Mall, Rush-Hour und Mega-City bekommen einen Sinn, und bei Interesse kann der beliebte AFL Footy live erlebt werden.

Bisher kennen wir den Rest Australiens nur aus den „ABC News“ und den Transitzeiten. Die aktuellen Durchschnittstemperaturen liegen zwischen 5 und 12 Grad, bei zwei Wochen Ferien nicht sooo prickelnd. Jetstar lockt uns mit Billigfliegercharme, und Dank AirBnB findet sich ein bezahlbares Appartement im Stadtteil Bronte. So lassen auch wir uns für 10 Tage auf das Abenteuer Sydney ein. Ist das denn nun tatsächlich eine der schönsten Städte der Welt?

 

Kurzversion: JA, definitiv!!!

 

Etwas ausführlicher: Landeanflug über Hafen mit Harbour-Bridge und Oper, schon cool. Heftiger Regen, Straßenbaustellen, Stau, 11km Taxi nach Bronte in ca. 1,5 Stunden für A$80 und eine sich anbahnende Erkältung – die Vorfreude relativiert sich beträchtlich. Den verbleibenden Abend verbringen wir mit einem 2,5km Fußmarsch nach Bondi Junction und stolpern direkt in unseren ersten ALDI der südlichen Hemisphere. Leckere Schokolade zu deutschen Preisen, bekanntes Lebensmittelangebot, kein Self-CheckOut … Heimatgefühle! Wanderung zurück mit vollen Taschen, kaputt.

Nein, es ist Urlaub, die Sonne scheint, und der erste Punkt auf der Must-Do Checkliste fordert einen Walk vom Bronte Beach über den Tamarama Beach zum Bondi Beach. Angepriesen wird Bondi (sprich: bondai). Schöner finden wir Bronte, mit angrenzendem Park, elektrischen Barbecueplatten und Picknickbereichen. Heute sind fast ausschließlich Surfer, also die echten australischen, auf einem Waveboard balancierenden, in der Brandung. Es gibt auch einen natürlichen, durch Felsbrocken geschützten Bereich sowie ein etwas höher liegendes Schwimmbecken, welches durch die überschwappenden Meereswellen gespeist wird.

In südlicher Richtung dem Coasttrail folgend schließt sich mit dem Waverley Cemetery der schönste Friedhof Australiens an. Gegründet 1877, umfasst er heute 41 Acre (ca. 166.000qm). Eine Vielfalt von Gräbern und Mausoleen lädt zum Besuch ein. Der Fernblick auf die Tasman Sea sowie seine ausgeprägte Hanglage rauben Spaziergängern und Joggern gleichermaßen den Atem.

 

Und scheinbar auch die letzte Kraft, denn eine fiebrige Erkältung fordert zumindest für Stephan einen Ruhetag. Das schreit geradezu nach Couchsurfing & extreme TV. Nur Mist, dass das australische Fernsehprogramm in Großteilen dem Niveau des Rests der Fernsehwelt gleicht. Sämtliche Serien, „Reality“-Quark und Shows dieser Welt werden wohl nur einmalig produziert, in einen großen Topf geworfen und dann in den einzelnen Ländern des Globus rausgezogen, aufgepeppt und der Öffentlichkeit vorgeworfen. Kein Wunder, dass Netflix oder Youtube nicht aufzuhalten sind.

 

Die Damen pilgern derweil durch den Botanischen Garten und die Hafenregion, welche wir in den kommenden Tagen noch häufiger besuchen werden. Schließlich starten von hier die Fähren Richtung Manly, zur Watsons Bay, zum Taronga Zoo oder auch zu den Walsafaris. Der Zoo ist tatsächlich ein Highlight. Gegenüber von Sydney CBD an einem Hang gelegen, befördert einen die Seilbahn an den oberen Startpunkt. Von dort schlängelt man sich gemächlich bergab, macht Abstecher zu den unterschiedlichsten Tieren, kann zwischendurch gerne auch einen Kletterparcours absolvieren und hat ständig diese berühmte Skyline vor Augen. Für tolle Fotos mit Giraffe neben Brücke, Muschel-Oper oder Skytower bedarf es gar keiner Bildbearbeitung … Fascinating!

 

Wale konnten wir schon vor Manly beobachten, aber diesmal wollten wir ganz nah dran sein. Aktuell ziehen die Humpback Whales gen Norden und springen den geneigten Beobachtern praktisch vor die Objektive, glaubt man den Berichten der Anbieter. Die Windvorhersagen sind zwar eher einschüchternd, aber hier im Hafen ist alles entspannt. Das Boot legt in 40 Minuten ab und hat noch Plätze frei, morgen wird wegen zu starkem Wellengang nicht rausgefahren, und zur Not werden Pillen gegen Übelkeit gratis verteilt – also los! Das Schöne an der Fahrt in der windgeschützten Bucht: den Blick auf Oper und Brücke bekommt man inklusive. Der Nachteil: Mit Erreichen des South Heads ist Schluss mit lustig. Schnell verschieben sich die Prioritäten. Beste Plätze an der Reling werden zuerst mit der gepolsterten Bank unter Deck und später mit der Bordtoilette getauscht. Gut wenn die Seasickness-Pillen schon wirken. Schlecht wenn „The Loo“ besetzt und die portable Kotztüte voll ist. Der Großteil der Gäste hat das Interesse an springenden Walen verloren. Der gesunde, braune Teint wandelt sich ungewollt in ein wenig inspirierendes Kreidebleich. 2.5 Stunden auf See können brutal anstrengend sein. Nach ausgiebiger Anfütterung zeigt sich immerhin ein Buckelwal in den Wellentälern, stößt einige Fontänen aus und hinterlässt bei den Landratten dutzende, verwackelte Bilder. 

 

Mit flauem Magen steigen wir von Bord und bummeln noch durch „The Rocks“, ein Altstadtviertel zu Füßen der Brücke. Hier begrüßen wir Crocodile Dundee persönlich und kehren im „Pancakes On The Rocks“ ein – yummy!  

 

Gute 2 Autostunden westlich von Sydney liegen die Blue Mountains. Klare Bergluft, eine einmalige Bergszenerie mit Wasserfällen, weiten Tälern und urigen Felsformationen laden zum Wandern ein. Die Eukalyptuswälder sondern ätherische Öle ab und sorgen damit für eine blaue Dunstglocke als Namensgeber des Nationalparks. Der Ausflug lohnt sich, zumindest bei gutem Wetter und außerhalb von Wochenenden und Ferien. Die Fahrt von der zentral liegenden Vermietstation aus der Stadt heraus bei schönstem Berufsverkehr ist etwas nervig. Immerhin können wir so die imposante Harbour-Bridge überqueren. Aus unerfindlichen Gründen befindet sich diese auf dem Großteil der Urlaubsbilder, mindestens so häufig wie die berühmte Oper.  

 

Am Tag der Abreise bestaunen wir die immense Wirkung der Brandung am Bronte Beach. Nach zwei recht stürmischen Tagen hat sich die See dermaßen aufgewühlt, dass meterhohe Wellen gegen die Cliffs anrollen und für einen gesperrten Badestrand sorgen. Nur zwei hartgesottene Surfer warten hinter der Brandung auf die perfekte Welle und werden von Land aus beobachtet und bejubelt, als der Wellenritt endlich gelingt. Wir legen nochmal ein paar Steaks auf den Barbi, sonnen uns bei Frisby, Lesen und Kniffel, beenden dann den Powernap eines Taxifahrers und lassen uns zum Flughafen chauffieren. Diesmal dauert es 20 Minuten und kostet nur die Hälfte.

 

Ein Vergleich der beiden Weltstädte Berlin und Sydney hinkt sicherlich gewaltig. Nicht nur die Lage am Meer bringt einige Pluspunkte. Auch die Ausstattung der Flughäfen weicht erheblich voneinander ab, und hier reden wir nur vom Domestic Airport. Obwohl, zeichnet sich da in unabsehbarer Zukunft etwa Besserung zugunsten Berlins ab? Wir werden es beobachten.